INTERESSANTES / FÜR KOLLEGEN

Editorial Rot&Weiss 4-2016

VON EXPERTEN UND MENSCHEN

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

was ist Zahntechnik? Die meisten, die nicht vom Fach sind, werden auf diese Frage antworten: ein Handwerk. Zahntechniker, meinen viele, bearbeiten in ihren Labors unterschiedliches Material und machen daraus den Zahnersatz, den Zahnärzte ihren Patienten einsetzen. Das ist nicht falsch, aber seit Langem nur ein Teilaspekt dessen, was moderne Zahntechnik leistet.

Junge Menschen, für die Zahnersatz naturgemäß nur sehr selten ein Thema ist, können sich noch wesentlich weniger unter unserem Job vorstellen. Das ist schade. Denn auch die Zahntechnik lebt davon, dass sie gut qualifizierten Nachwuchs ausbildet. Und diesen findet man nur, wenn man junge Leute für eine Ausbildung begeistern kann. Unser Berufsbild – jedenfalls die Art, wie es seit Jahrzehnten kommuniziert wird – entspricht nicht mehr dem, was in österreichischen Labors tatsächlich passiert. Wir als Bundesinnung wollen vermitteln, dass die Zahntechnik alles andere als ein angestaubtes Handwerk ist. Zunehmend stehen digitale Technologien im Zentrum. Sie werden in Zukunft Basis für jede Art zahntechnischer Arbeit sein. Diese Entwicklung wird niemand aufhalten können. Und ganz ehrlich: Ich verstehe nicht, wieso manche Kollegen sich immer noch dagegen sträuben. Denn das nützt nicht nur nichts, sondern kann im ungünstigsten Fall existenzbedrohend werden. Jeder zahntechnische Unternehmer sollte spätestens jetzt versuchen, nicht den Anschluss zu verlieren. Analoge Aspekte wird es in der Zahntechnik natürlich weiterhin geben – im Labor und in der Ausbildung. Denn ein Zahntechniker, der beispielsweise nichts von Anatomie versteht, der nicht weiß, welche Materialien wann welche Vorzüge haben und noch nie selbst einen modelliert hat, wird auch mit digitalen Mitteln nicht weit kommen. Alles Digitale braucht Experten, die es richtig anzuwenden wissen. Damit wir diese Experten in Zukunft haben, müssen wir die Zahntechnikerausbildung ohne Scheu vor großen Veränderungen angreifen. Digitale Methoden müssen viel größeren Raum einnehmen. Das gilt für das duale Lehrsystem, die Meister- und die Zusatzausbildungen.

Eine Novelle der Gewerbeordnung wird Meisterausbildungen demnächst aufwerten: Sie werden damit im Bologna-System dem Bakkalaureat gleichgesetzt. Zahntechnikermeister haben bereits Zugang zu akademischen Ausbildungen. Das ist eine Chance, die sie nutzen sollten. An der DPU in Krems gibt es das Masterstudium Dentale Technik, das in diese Richtung geht. Ab dem Herbst will sich die Bundesinnung verstärkt damit auseinandersetzen, welche Maßnahmen wir setzen müssen, um die Zahntechnikerausbildung neu auszurichten. Dazu werden wir uns mit Experten zusammensetzen und diskutieren. Lehrende der DPU aus den Bereichen Zahnmedizin und Zahntechnik werden ebenso teilnehmen wie Pädagogen aus dem Berufsschulbereich, Praktiker aus der Branche und Experten der Sozialpartner. Angehende Zahntechniker müssen Perspektiven bekommen, damit sie im Beruf bleiben. Durchaus vorstellbar, dass es langfristig in Richtung akademische Vollausbildung geht. Schon jetzt gilt es, Nachwuchstechniker auf der Höhe der Zeit auszubilden. Dazu wird es nötig sein, gezielt Talente Einzelner zu fördern, indem in einer späteren Phase der Ausbildung die Möglichkeit geschaffen wird, sich zu spezialisieren. Spezialisierung wird ein Schlüssel zum Erfolg zahntechnischer Betriebe sein. Wenn die Industrie darüber nachdenkt, Zahnersatz anzubieten und sich mit „Geschwindigkeit und Preis“ ins Gespräch bringen will, müssen wir uns klar dagegen positionieren. Wir müssen Nischen besetzen. Kein kleines oder mittelgroßes Labor wird mit industrieller Produktion und Billigprodukten aus dem Ausland mithalten können. Warum sollten wir das auch probieren? Nur wir heimischen Zahntechniker können Qualität, Nähe und Flexibilität bieten – und das vor allem im Teamwork mit heimischen Zahnärzten.

Und weil wir gerade beim Thema Teamwork sind: Ich gratuliere dem neuen Präsidium der Zahnärztekammer zur Wahl und hoffe, dass wir zu einer besseren, vernunftorientierten Zusammenarbeit finden werden. Daran sollte beiden Berufsgruppen gelegen sein. Es geht schließlich um etwas – um die Zukunft.

Euer
Richard Koffu